Land Israel
- Christian Grimm
- 25. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Zwei Gedichte von Nelly Sachs (Nobelpreis 1966)
Land Israel (geschrieben und publiziert1947 In den Wohnungen des Todes)
deine Weite, ausgemessen einst
von deinen, den Horizont übersteigenden Heiligen.
Deine Morgenluft besprochen von den Erstlingen Gottes,
deine Berge, deine Büsche
aufgegangen im Flammenatem
des furchtbar nahegerückten Geheimnisses.
Land Israel,
erwählte Sternenstätte
für den himmlischen Kuß!
Land Israel,
nun wo dein vom Sterben angebranntes Volk
einzieht in deine Täler
und alle Echos den Erzvätersegen rufen
für die Rückkehrer,
ihnen kündend, wo im schattenlosen Licht
Elia mit dem Landmanne ging zusammen am Pfluge,
der Ysop im Garten wuchs
und schon an der Mauer des Paradieses-
wo die schmale Gasse gelaufen zwischen Hier und Dort
da, wo Er gab und nahm als Nachbar
und der Tod keines Erntewagens bedurfte.
Land Israel,
nun wo dein Volk
aus den Weltenecken verweint heimkommt
um die Psalmen Davids neu zu schreiben in deinen Sand
und das Feierabendwort Vollbracht
am Abend seiner Ernte singt -
steht vielleicht schon eine neue Ruth
in Armut ihre Lese haltend
am Scheideweg ihrer Wanderschaft.
Das zweite Gedicht Immer dort wo Kinder sterben (geschrieben in den 50 er Jahren, publiziert 1959 in Flucht und Verwandlung)
Immer
dort wo Kinder sterben
werden die leisesten Dinge heimatlos.
Der Schmerzensmantel der Abendröte
darin die dunkle Seele der Amsel
die Nacht heranklagt -
kleine Winde über zitternde Gräser hinwehend
die Trümmer des Lichtes verlöschend
und Sterben säend -
Immer
dort wo Kinder sterben
verbrennen die Feuergesichter
der Nacht, einsam in ihrem Geheimnis -
Und wer weiß von den Wegweisern
die der Tod ausschickt:
Geruch des Lebensbaumes,
Hahnenschrei der den Tag verkürzt
Zauberuhr vom Grauen des Herbstes
in die Kinderstuben hinein verwunschen -
Spülen der Wasser an die Ufer des Dunkels
rauschender, ziehender Schlaf der Zeit -
Immer
dort wo Kinder sterben
verhängen sich die Spiegel der Puppenhäuser
mit einem Hauch,
sehen nicht mehr den Tanz der Fingerliliputaner
in Kinderblutatlas gekleidet;
Tanz der stille steht
wie eine im Fernglas
mondentrückte Welt.
Immer
dort wo Kinder sterben
werden Stein und Stern
und so viele Träume
heimatlos.
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